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Weltpolitik im Kiez - Wie schätzen Exil-Iraker die aktuelle Lage ein?

  
Keine Frage, liest man die Chronik des Irak unter der Regierung Saddam Husseins, so kann man über Jahrzehnte Macht- und Amtsmissbrauch erkennen. Millionen Menschen mussten ihr Leben lassen - Minderheiten wie die Kurden wurden Opfer von Giftgasangriffen, politische Gegner wurden hingerichtet.
Saddams Macht muss gebrochen werden, der Meinung sind auch hier im Exil lebende Iraker. Ein Krieg wird jedoch nicht als geeignetes Mittel gesehen, um dieses Ziel zu erreichen. Mitglieder des Irakischen Kulturvereins „Al-Rafedain“ e.V. - zu deutsch: Zweistromland -  äußern sich kritisch gegen die Kriegspläne. Das irakische Volk hat seit fast 30 Jahren nur Krieg, Hunger und Gewalt erlebt. Auch das Embargo betrachten die Exil-Iraker kritisch, denn die Leidtragenden sind das Volk. So können kranke Menschen weder mit Insulin oder wichtigen Herzmedikamenten versorgt werden, noch darf bei Krebskranken eine Chemotherapie angewandt werden.
Denkbar wäre für die meisten eine nichtmilitärische Lösung durch die UNO. Einen erneuten Krieg lehnen fast alle Exil-Iraker ab, denn das Land hat 30 Jahre Krieg hinter sich, ganze Landschaften sind verwüstet, sauberes Wasser kaum vorhanden. Laut offiziellen Zahlen der UNESCO leiden 70% der dort lebenden Frauen an Untergewicht und es werden immer häufiger missgebildete Kinder geboren. Ebenso wächst die Zahl der Leukämiekranken.
Kontakte zu Familienmitgliedern in den Irak sind für die hier Lebenden schwierig, schließlich weiß man, dass die Telefone abgehört werden. Dennoch sickern immer Informationen ins Ausland durch.
 
Um von hier aus etwas für die im Irak zurückgebliebenen zu bewirken, hat sich der Verein am Aufruf zur bundesweiten Großdemonstration am 15. Februar 2003 beteiligt. Allerdings hätte der Verein gerne gesehen, dass das Motto „Nein zum Krieg gegen den Irak!“ um ein zusätzliches „Nein zur Politik Saddam Husseins!“ ergänzt worden wäre.
 
Etwa 3.500 bis 4.000 Iraker leben hier in Berlin im Exil. Nach Auskunft von Frau Ahmed-Böhm, der Vorsitzenden des Vereins „Al-Rafedain“, kamen Ende der 60er Jahre die ersten Iraker, um hier zu studieren oder zu arbeiten. Ende der 70er Jahre begann dann die Immigration nach Deutschland aus politischen Gründen. Eine dritte Einwanderungswelle gab es dann noch Mitte der 90er Jahre. Zu dieser Zeit kamen vermehrt irakische Kurden nach Berlin, da sie im Irak massiven Verfolgungen ausgesetzt waren. Für die hier lebenden Iraker sind die Zeiten nicht leicht. Kaum einer der Asylsuchenden wird seit etwa 1995 als politischer Verfolgter anerkannt, Familien-zusammenführung oder der Erhalt einer Arbeitserlaubnis sind daher ausgeschlossen. Die Menschen fühlen sich verloren. „Al-Rafedain“ e.V. versucht diesen Menschen bei den ersten Schritten hier zu helfen und ihnen ein bisschen Heimatgefühl zu geben. Zur Zeit jedoch geben die Mitglieder des Vereins jede Menge Interviews zum Thema Nummer eins in den Nachrichten: Die Irak-Krise.

text: SPfau