Werner Seelenbinder
Am 2. August dieses Jahres wäre der legendäre Arbeitersportler und Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder 100 Jahre alt geworden. Der in Stettin Geborene lebte in Neukölln in der Palisadenstraße 56 sowie in der Glatzer Straße 6. Werner Seelenbinder war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ein berühmter und erfolgreicher Ringer. Er gewann in seiner Gewichtsklasse den Titel eines Amateurmeisters.
Obwohl er viele Siege errang und dafür mehrfach ausgezeichnet wurde, blieb er ein bodenständiger
Mensch und ging noch seinem eigentlichen Beruf als Transportarbeiter nach. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der überzeugte Kommunist Werner Seelenbinder 1933 von der KPD-Organisation seines Heimatbezirks Neukölln beauftragt, sich für internationale Wettkämpfe zu qualifizieren um somit die möglichen Auslandskontakte für die kommunistische Untergrundarbeit zu nutzen. Dies tat er zu vollster Zufriedenheit seiner Partei. Seelenbinder gelang 1936 die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Berlin. Er hatte vor, bei der Siegerehrung, als Zeichen des Protestes, den Hitlergruß zu verweigern. Doch dieses Vorhaben musste er aufgeben, er belegte nur den vierten Platz.
Werner Seelenbinder verabscheute jegliche Unterdrückung und konnte sich mit der faschistischen Machtergreifung nicht abfinden. Er kämpfte mit voller Einsatzbereitschaft gegen das nationalsozialistische Regime und schloss sich 1938 der Uhrig-Gruppe an, in der viele antifaschistische Sportler als illegale Kämpfer tätig waren. Da er oft an Auslandswettkämpfen teilnahm, bot sich ihm mehrfach die Möglichkeit, Informationen und Materialien seiner Partei an ausländische Freunde zu überbringen. Nach der Zerschlagung der Uhrig-Gruppe durch die Nationalsozialisten wurde Werner Seelenbinder am 4. Februar 1942 von der Gestapo festgenommen.
Zwei Jahre dauerte seine Inhaftierung in Konzentrationslagern und im Zuchthaus, in der er grausame Folterungen und Qualen durchlebte. Der einstmals 90 Kilogramm schwere Mann war auf 60 Kilogramm abgemagert und äußerlich nur noch ein Schatten seiner selbst. Wie es in seinem Inneren aussah, dokumentiert der nachstehende Brief an seine Liebsten vom 24.Oktober 1944, dem Tage seiner Hinrichtung. In seinem Abschiedsbrief schreibt er:
"Die Stunde des Abschieds ist nun für mich gekommen. Ich habe in der Zeit meiner Haft wohl alles durchgemacht, was ein Mensch so durchmachen kann. Krankheit und körperliche und seelische Qualen, nichts ist mir erspart geblieben. Ich hätte gerne gemeinsam mit Euch, mit meinen Freunden und Sportkameraden, die Köstlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens, die ich jetzt doppelt zu schätzen weiß, nach dem Krieg mit Euch erlebt. Es waren schöne Stunden, die ich mit Euch verlebt habe, und ich habe in meiner Haftzeit davon gezehrt und mir diese herrliche Zeit zurück gewünscht. Das Schicksal hat es nun leider nach langer Leidenszeit anders bestimmt. Ich weiß aber, dass ich in den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin behaupten werde. Dieses Bewusstsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen."
Obwohl Werner Seelenbinder legendären Status erlangte, geriet er in der Bundesrepublik schnell wieder in Vergessenheit. Zwar wurde das Neuköllner Stadion an der Oderstraße 182 nach dem Krieg für eine kurze Zeit nach Werner Seelenbinder benannt, mehr Ehrwürdigung blieb ihm allerdings versagt. In der DDR hingegen wurde der kommunistische Widerstandskämpfer sehr verehrt und viele Straßen, Schulen, Plätze und Sportanlagen trugen bis zur Wende 1989 seinen Namen. Doch viele wurden wieder umbenannt. Umso erfreulicher ist das Vorhaben, bis zum 60. Jahrestag seiner Hinrichtung am 24.Oktober dieses Jahres, das Neuköllner Stadion wieder in Werner-Seelenbinder-Stadion umzutaufen. An diesem Tag wird auch eine Gedenkveranstaltung an der Grabstätte Werner Seelenbinders, die sich ebenso beim Stadion Neukölln befindet, stattfinden.